Close[t] Demonstrations: Eine Ausstellung über die Vielfältigkeit queerer Un_Sichtbarkeit
Semmelweisklinik: Zentrum für Kunst und Kultur, Hockegasse 37/4 1180 Wien, Österreich | 03. - 24.11.2023
Close[t] Demonstrations ist eine Kunstausstellung, die queere Sichtbarkeiten und Unsichtbarkeiten durch Zeichnungen, Comics, Installationen, Videos, Stickereien und Zines erkundet. Die ausgewählten Arbeiten decken Machtverhältnisse auf und adressieren Lust und Verlangen, die mit queeren Un_Sichtbarkeiten verbunden sind und beleuchten die vielfältigen Arten, wie sie sich in verschiedenen Kontexten offenbaren.
Die Organisator:innen von Close[t] Demonstrations haben einen Titel gewählt, der spielerisch Elemente von Transparenz, Öffentlichkeit, Undurchsichtigkeit, Unsichtbarkeit und Sichtbarkeit widerspiegelt und gleichzeitig deren Übergänge aufzeigt. Der Titel enthält den so-genannten gay oder queer 'Closet' und die darin verborgenen Communities, die aus der Nähe ('close') betrachtet werden; 'Demonstrations' verweist sowohl auf das Öffentlich-Sein als auch auf das politische Demonstrieren für Gleichheit; Und sogar Monster werden '(de)monstriert' und im Titel miteingeschlossen.
In der Ausstellung werden 18 Arbeiten von Künstler:innen aus Almaty, Athen, Berlin, Dhaka, Dnipro, Erzurum, Hamburg, Helsinki, Johannesburg, Kyiv, London, Mexiko-Stadt, Oaxaca und Wien gezeigt. Der Ausstellungsraum und der Katalog von Close[t] Demonstrations sind in einer Kombination aus folgenden Sprachen: Arabisch, Baschkirisch, Belarusisch, Bengalisch, Bosnisch-Kroatisch-Montenegrinisch-Serbisch, Brasilianischem Portugiesisch, Chinesisch, Deutsch, Englisch, Fante, Französisch, Georgisch, Griechisch, Italienisch, IsiXhosa, Kurdisch, Nahuatl, Ostfriesisch, Österreichischer Gebärdensprache, Portugiesisch, Russisch, Spanisch, Tatarisch, Türkisch, Ukrainisch, Ungarisch und Zyperntürkisch.
Das Ausstellungsprogramm beinhaltet Ausstellungsrundgänge auf Deutsch mit Dolmetschung in Österreichischer Gebärdensprache, auf Englisch, Ukrainisch, Bosnisch-Kroatisch-Serbisch-Montenegrinisch und Russisch. Besucher:innen können an Performance-Kunst von Pêdra Costa und an einem Workshop zum Thema „Kreatives Schreiben durch vielfache Diskriminierung“ mit Masha Beketova und Syrine Boukadida teilnehmen. Neben einem Vortrag über die Beziehung zwischen visueller und politischer Repräsentation von Elahe Haschemi Yekani wird es zwei Diskussionsrunden geben; Olenka Sayaivo Dmytryk spricht über die Bedingungen der (Un)Möglichkeit des Kunstschaffens und Tegiye Birey, Ewa Maczynska und Henrie Dennis diskutieren über die Optik queerer Migration.
Un_Sichtbarkeiten
Opazität oder Undurchsichtigkeit ist ein Konzept aus dem Martinique-Kreolischen Kontext von Édouard Glissant, einem aus Martinique stammenden Philosophen und Dichter. Dieses Konzept bezeichnet den sprachlichen Einfallsreichtum der auf der Insel Martinique lebenden Kreolen, um von ihren Unterdrücker:innen nicht verstanden zu werden (und sich so laut Glissant nicht reduzieren zu lassen). Anna T. und das Team des künstlerischen Forschungsprojekts "The Magic Closet and the Dream Machine" wenden das Konzept der Opazität für queere Kontexte auf verschiedene Weise an. Zum Beispiel verstehen sie Opazität als eine Taktik der sicheren Kommunikation in queeren Räumen in Form geheimer queerer Jargons (Forschung von Anna T.). Im Rahmen des künstlerischen Forschungsprojekts "The Magic Closet and the Dream Machine" wurde diese Taktik als Methodologie in kreativen Workshops eingesetzt, um Wissen auszutauschen und gleichzeitig die Privatsphäre der Menschen zu schützen und zu respektieren. In dieser Ausstellung möchte Anna T. erkunden und zeigen, wie andere Künstler:innen, die innerhalb von Queerness arbeiten, die Frage der Un_Sichtbarkeiten auf ihre persönliche Weise aufgreifen.
Künstler:innen und Arbeiten
Die Künstler:innen haben ihre Ideen zu Un_Sichtbarkeiten in Beziehung zu ganz verschiedenen individuellen Orten, Zeiten und emotionalen Zuständen entwickelt. Sie bieten ganz unterschiedliche Ästhetiken und präsentieren nuancierte Theorien von Queerness in ihrem eigenen Umfeld.
Vishnia Vishnia a.k.a. Double Cherrys Zeichnung „Stray Dog“ teilt Überlegungen über die Un_Sichtbarkeiten des Standortes einer Schwulenbar (einem wichtigen Raum für Sozialisierung, Unterhaltung und die Organisation der Community) in Kriegszeiten. Clémentine Roy und Marta Orlando reflektieren über Cruising und die suche nach der Lust in der freien Natur im Kurzfilm „The Pathway to the Goats“. İlhak Altıparmak untersucht ähnliche Aktivitäten im homosozialen Raum des Hammam in den Stickereien „Slippery Reminiscences of Consciousness II“.
Naomi Frisson präsentiert im „PINK ZINE“ Fragmente von Verlangen und deren Darstellungen, begleitet von inneren Monologen, und gyenjam zeigen mit '-ডাই-অ্যাস-ফোঁড়া- eine Videoinstallation, die sich mit den wahrnembaren Aspekten der Un_Sichtbarkeit beschäftigt. Für andere Zine-Autor:innen waren Un_sichtbarkeiten im Prozess des Kunstschaffens selbst im Fokus. ReSews „Textile book of stories about clothes 2“ und grouping sils „zine“ reflektieren beispielsweise auf sehr unterschiedliche Weise über kollektive Kreativität und die gemeinsame Nutzung von Ressourcen in Zeiten des Russischen Angriffskrieges. Adiba findet Un_Sichtbarkeiten in den Spuren von Erinnerung, Archiven und Kindheit, in der interaktiven Installation „Tartpa’shka“, während Sophia Yuet Sees Installation „Iteration of 'coming full circle only to loop back over’“ Erinnerung, Trauma und Unterdrückung erforscht. Amaqhawekazi Emafini Malamlelas Video von ihrer Performance „Trumu Fetish - The Shrine“ und Pêdra Costas Performance-Installation „The Deities' Closet“ spüren Un_Sichtbarkeiten in Spiritualität und Mystik nach. Bendix Mignon drückt Un_Sichtbarkeit in den Skizzen „Das Gefühl, das ich kenne“ durch die Materialität seiner künstlerischen Praxis in Form von Auslassungen, Mehrdeutigkeit und Repräsentation (der Flüchtigkeit der Erscheinung oder der Sicht auf sich selbst) aus. Naomi Rincón Gallardo beschäftigt sich im Film "Verses of Filth" mit Un_sichtbarkeiten im Bereich des Emotionalen und schafft Verbindungen zwischen Un_Sichtbarkeiten und Empowerment durch Mythenbildung.
Einige Künstler:innen sprechen davon, wie wichtig es ist, gleichzeitig gesehen zu werden und trotzdem nicht sichtbar zu sein (oder durch Druck sichtbar gemacht zu werden), besonders an der Schnittstelle zwischen Minderheiten. Weiters sprechen sie über die Wichtigkeit, aktiv zu werden, besonders im Kampf gegen Ableism, Queer- und Transphobie, Rassismus, Sexismus und Xenophobie.
Animal Bros Comicstrip "Transition Diaries" ist ein Beispiel für eine solche intersektionale Reflexion über Un_Sichtbarkeit. Jasemin Anika Khaleli verortet Un_Sichtbarkeit in ihrer Installation "Uns:mothered (Semmelweisklinik)" an materiellen (und doch unsichtbaren) Verbindungen durch Atmen, was insbesondere in der Welt nach 2020 soziale Machtverhältnisse hervorhebt, die sich physisch, affektiv und umweltbedingt auswirken. Auf eine andere Weise verfolgt Marina Leo Shamovs interaktive Videoinstallation "Dendrocoelum lacteum (Planaria)" queere Un_Sichtbarkeiten durch posthumanistische Transzendenz und die Fähigkeit der Natur, Grenzen zu überwinden.
Im künstlerischen Forschungsprojekt "The Magic Closet and the Dream Machine" steht Unsichtbarkeit als Ausgangspunkt für Solidarität im Zentrum der Forschung. In kollektiven Workshops hat das Forschungsteam in Kollaboration mit Menschen aus 5 postsowjetischen Regionen eine Reihe von Artefakten entwickelt, die im Online-Archiv eingesehen werden können. Zwei dieser Arbeiten sind Teil der Ausstellung: Masha Godovannayas experimenteller Film "a text floating on a river" und Ruthia Jenrbekovas "Deck of Cards". Der Dream Machine, dem zentralen Apparat dieser Methodik, wird im Rahmen der Ausstellung ein eigener Raum gewidmet, in dem die Besucher:innen die kinetische Lichtmaschine gemeinsam erleben können.
Sponsor:innen
Die Ausstellung wird unterstützt von SHIFT Basis.Kultur Wien, dem Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF), der Forschungsplattform Gender: Ambivalent In_visibilities (GAIN) der Universität Wien, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Akademie der bildenden Künste Wien, dem Referat Genderforschung der Universität Wien und der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH), der Abteilung Organisationskultur und Gleichstellung und dem Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen der Universität Wien.
Die Organisator:innen
Anna T.
Die Ausstellung wurde von Anna T., Künstlerin, Pädagogin und Kuratorin aus Wien kuratiert. Ihre künstlerische, kuratorische und wissenschaftliche Arbeit stützt sich auf Poststrukturalismus, Queer Theory, Dekolonialität, peripheres Wissen, Ästhetik und Affektivität. Seit 2003 stellt sie international aus und arbeitet intensiv mit Akademiker:innen, Aktivist:innen und Kreativen in Griechenland, Vereinigtes Königreich, Deutschland und Österreich zusammen. Ihre Monographie „Opacity – Minority – Improvisation: An Exploration of the Closet Through Queer Slangs and Postcolonial Theory“ wurde 2020 von transcript veröffentlicht und behandelt Unsichtbarkeiten durch Sprache (https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5133-1/opacity-minority-improvisation/).
„Was mich an dem Projekt interessierte, als Kathi zum ersten Mal auf mich zukam, war das Kerninteresse an Unsichtbarkeiten, etwas, das ich auf unterschiedliche Weise erforscht hatte (mit einem Fokus auf Sprachen), was mich auch dazu führte, meine eigene künstlerische Praxis als Forschungsmethode einzubeziehen. Während ich zuvor kollektive und kreative Formen der Kommunikation in den Blick genommen hatte, die oft die Mitgliedschaft in Gemeinschaften ermöglichen, würde dieses Projekt darin bestehen, die vielfältigen künstlerischen Ansichten über queere Un_Sichtbarkeiten im Allgemeinen zu erforschen und uns somit erlauben, Menschen, deren Arbeit wir bewundern, einzuladen, ihre kreativen Prozesse aus unterschiedlichen Kontexten zu teilen. Dies hat es uns ermöglicht, eine offene Aussreibung zu veröffentlichen und Arbeiten von unbekannten Künstler:innen zu erhalten, die die Frage, was Un_Sichtbarkeiten für sie bedeuten, auf unerwartete Weise beantwortet haben.“
Arbeitssprachen: Englisch und Griechisch.
Kompetenzbereich: Kuration
Kontakt: curator.gain@univie.ac.at
Katharina Wiedlack
Katharina Wiedlack ist Projektleiterin der Ausstellung und des Kunstforschungsprojekts „The Magic Closet and the Dream Machine“ zur Darstellung queeren Lebens im/aus dem post-sowjetischen Raum. Sie ist Assistenzprofessorin für Anglophone Kulturwissenschaften am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Wien. Sie steht für Expert:innenkommentare zur Verfügung, hat Interviews über Queerness und Unsichtbarkeit (malmoe) gegeben und über gendersensible Sprache für österreichische (der Standard) und internationale (artseverywhere) Medien geschrieben.
„Diese Ausstellung ist einzigartig, weil sie in 30 Sprachen über Gender, Klasse, Staatsangehörigkeit und Nationalität, Race/Ethnie und Sexualität spricht.“
„Ich bin in dieses Projekt involviert, weil ich denke, dass Kunst und Künstler:innen der akademischen Welt viel beibringen können - wir müssen nur in die richtige Richtung zuhören, schauen und fühlen.“
„Wir brauchen diese Ausstellung, weil wir uns über unsere Unterschiede hinweg verbinden müssen, um Solidarität zu bilden, uns umeinander zu kümmern und gegenseitig zu unterstützen. Kunst kann ein Mittel dieser Verbindung sein.“
Arbeitssprachen: Englisch, Deutsch
Kompetenzbereich: (Akademisches) Konzept, Produktion
Kontakt: katharina.wiedlack@univie.ac.at
Iain Zabolotny
Iain Zabolotny ist Aktivist:in, Dolmetscher:in und Forscher:in aus Novosibirsk, RU. Iain hat akademische Abschlüsse in Öffentlichkeitsarbeit und Transkulturelle Kommunikation und studiert derzeit Dolmetschen an der Universität Wien. Iain ist auch Teil des FWF-Kunstforschungsprojekts „The Magic Closet and the Dream Machine“ zur Ost-West-Solidarität.
Arbeitssprachen: Englisch, Russisch, Deutsch
Kompetenzbereich: Kommunikation & Übersetzungen
Kontakt (bevorzugt für jede Medienkommunikation): exhibition.gain@univie.ac.at
Tegiye Birey
Tegiye Birey ist Textarbeiterin und Community-Enthusiastin aus dem Mittelmeerraum. Sie promoviert in Gender Studies an der Central European University und der Universität Utrecht, und hat in ihrer Forschung eine postkoloniale/dekoloniale feministische Lesart von Migrationsolidarität. Tegiye hat Kunst oft in ihre Schreibpraxis integriert (siehe „Devising conviviality: intersubjective becoming through labor of community-building, Being and Understanding the Other: A Brief Look at the 21st century Cypriot Art“). Sie hat einen Bachelor-Abschluss in Frauenstudien und Politikwissenschaft mit dem Nebenfach Französisch an der University of New Hampshire und einen MSc in Gender and Social Policy an der London School of Economics and Political Science. Sie hat im Bereich der Flüchtlingsrechte gearbeitet, sich in der Gender-, Geschichts- und Jugendforschung und -ausbildung engagiert und an transnationalen feministischen, queeren, antimilitaristischen und antirassistischen Netzwerken teilgenommen.
Arbeitssprachen: Englisch, Türkisch
Kompetenzbereich: Moderation, Hospitality und Logistik
Kontakt: tegiye.birey@univie.ac.at
Soziale Medien
Kontakt
Medienanfragen: exhibition.gain@univie.ac.at (Iain Zabolotny)
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